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Ein kurzer Lebenslauf
      Die Tochter schreibt:
"Mein Vater, der Kunstmaler"
      Ein Enkel schreibt:
"Erinnerungen an den Maurerweg"
Rudi Lehmann - Der Künstler!


Mein Vater, der Kunstmaler

"Wenn das mein Vater wäre, würde ich ihm den ganzen Tag nur beim Malen zuschauen!"

Mein damals etwa neunjähriger Klassenkamerad machte mir erstmals bewusst, dass mein Vater über ein besonderes Talent verfügte. Mir wurde plötzlich klar, dass sein Arbeitsplatz anders aussah als das Betätigungsfeld der Väter oder Mütter meiner Mitschüler. Er arbeitete an der Staffelei oder am Zeichenbrett und hatte keine festgelegten Arbeitszeiten. Für mich war es völlig normal, dass mein Vater immer etwas zu malen oder zu zeichnen hatte. Seine künstlerische Kreativität trieb ihn immer wieder zu neuem Schaffen an. Immer hatte er irgendwelche "Malsachen" dabei und oftmals mussten meine Mutter und ich eine Pause bei gemeinsamen Ausflügen einlegen, weil "Papa" ein interessantes Motiv erst auf das Papier bannen musste.
Obwohl mein Vater nur die Grundschule besucht hat, verfügte er über ein umfangreiches Allgemeinwissen. Ständig bildete er sich weiter und nahm trotz knapper finanzieller Möglichkeiten jede Gelegenheit wahr, teils in Abendkursen, teils im Direktstudium an der "Kunstgewerbe- und Höheren Graphischen Fachschule" in Berlin, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vervollkommnen.
Er war ein lebensfroher, liebevoller und grundehrlicher Mensch. Ungerechtigkeit, Heuchelei und Unehrlichkeit waren ihm zutiefst zuwider. Er hatte feste Prinzipien, nach denen er lebte und handelte. Nie hielt er mit seiner Meinung hinter dem Berg, auch wenn es zu seinem Nachteil gereichte. So war er als kartografischer Zeichner im Luftfahrtsministerium eigentlich "unabkömmlich". 1943 wurde er jedoch plötzlich an die Westfront abkommandiert, weil er laut und deutlich seine Meinung über den Verlauf des Krieges geäußert hatte.
Am Ende des Krieges fand er sich bei der "kapitulierten Truppe" in Friesland wieder. Da unsere Wohnung in Berlin völlig zerstört war, nahm meine Mutter die Gelegenheit wahr, mit der "Aktion Storch" nach Friesland evakuiert zu werden. Es war ein kleines Wunder, dass wir zu diesem Zeitpunkt den Aufenthaltsort meines Vaters, ebenfalls in Friesland, ausfindig machen konnten, und so blieben wir bis 1951 in Hohenkirchen bei Jever.
In diesen schweren Nachkriegsjahren gelang es meinem Vater, durch unermüdlichen Fleiß und Einfallsreichtum seine kleine Familie gut zu ernähren. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, ich hatte dort eine unbeschwerte Kindheit. Anfangs war es für meinen Vater schwer. Wer brauchte schon Kunst? Die Menschen hatten Hunger. Noch gut erinnere ich mich an ein Osterfest. Mein Vater bot den Bauern und Dorfbewohnern an, die Ostereier gegen frische Eier zu bemalen. Das Geschäft blühte! Selten haben Kinder wohl so schöne Ostereier suchen können.
Sehr bald ließen sich dann auch die Großbauern ihre Höfe malen oder kauften Landschaftsbilder.
Es war vor allem die Weite der friesischen Landschaft, die meinen Vater immer wieder in ihren Bann zog. Viele seiner schönsten Bilder sind damals entstanden. "Der verrückte Maler" nannten die Friesen ihn liebevoll.
Wenn mein Vater malte, vergaß er die Welt um sich. Als Kind nutzte ich das aus, wenn ich etwas durchsetzen wollte, was ich bei meiner Mutter nicht erreicht hatte.
Einmal jedoch hätte es ihn fast das Leben gekostet.
Bei Ebbe saß er im Watt und malte. Die auflaufende Flut bemerkte er erst, als es fast zu spät war. Aber die Küstenwache am Strand hatte durch das Fernglas den "verrückten Maler" zum Glück längst erspäht und holte ihn mit dem Rettungsboot an Land.
In dieser Zeit zeichnete mein Vater auch für mehrere regionale Zeitungen, die in ihren Blättern besonders eindrucksvolle Heimatmotive ihren Lesern näher bringen wollten. Die Fahrten zu den entsprechenden Orten wurden mit dem Fahrrad zurückgelegt, ich meistens auf dem Gepäckständer als Beifahrer. Dadurch habe ich, obwohl wir kein Auto hatten (wer besaß damals schon eins?), sehr viel gesehen und erlebt.
Erst als erwachsener Mensch wurde mir klar, dass gerade in dieser Zeit mein Vater mir beigebracht hat, die Schönheiten der Natur bewusst zu sehen und mich an kleinen Dingen zu erfreuen.
Auch im Umgang mit Menschen wurde hier wohl der Grundstein gelegt. Ich habe gelernt, unvoreingenommen auf Menschen zuzugehen.
Leider war mein Vater mitunter zu vertrauensselig und glaubte immer nur an das Gute im Menschen. Das wäre uns fast 1951, als wir nach dem Tod meiner Großmutter mütterlicherseits wieder in unsere alte Heimat in die Nähe von Berlin (Finkenkrug) zurückkehrten, zum Verhängnis geworden.
Vaters Freunde in Friesland verstanden seine Entscheidung nicht. Wie konnte einer freiwillig in die "Ostzone" gehen? Heute weiß ich, es waren die Bodenständigkeit meines Vaters und die Liebe zu seinen Eltern in Luckenwalde, die ihn diesen Entschluss fassen ließen. Hinzu kam, dass er meinte, so schlimm kann es gar nicht sein! Seine "Blauäugigkeit" trübte seinen Blick für die Realität.
Dabei war er eigentlich ein politisch sehr interessierter und sachkundig urteilender Betrachter des Weltgeschehens.
Kaum angekommen, begann für uns eine schwere Zeit. Viel Misstrauen wurde ihm, dem Übersiedler, von staatlicher Stelle entgegengebracht. In all den Jahren war der Kunstmaler und Grafiker Rudi Lehmann ein anerkanntes Mitglied des Künstlerbundes.
Ich weiß, dass die Kunsthallen Emden und Düsseldorf Bilder von ihm erworben haben.
Nur in der DDR lehnte man eine Mitgliedschaft mit folgender Begründung ab:

Zitat Anfang
"Aufgrund der eingereichten Arbeiten war es nach äußerst gewissenhafter Prüfung der Gutachterkommission nicht möglich, Sie als bildenden Künstler anzuerkennen. Wir raten Ihnen durch Intensivstudium Ihre Leistungen zu verbessern."
Zitat Ende               (Zum Lesen des vollständigen Originaldokuments als PDF klicken Sie bitte hier!)

Vernichtender konnte eine Ablehnung wohl kaum sein. Diese Beurteilung seines Könnens hat ihn damals sehr verletzt. Aber zum Glück half meinem Vater sein gesundes Selbstvertrauen. Er wusste, dass er über umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte und auch damals gab es Verantwortliche, die einen Mitarbeiter nach seinem Wissen und Können und nicht nach parteipolitischen Vorgaben beurteilten. So fand er bald Arbeit im Verlag "Kultur und Fortschritt" als Grafiker.
In der Industrie- und Handelskammer war er als Hauptsachbearbeiter für alle grafischen Arbeiten, einschließlich der Ausgestaltung des Pavillons der Kammer auf der technischen Messe, verantwortlich.
Im Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut gestaltete er Lehrtafeln für den Unterricht.
Zuletzt war er im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf tätig. Hier leitete er in der Abteilung Information die Druckerei.

Bereits in den sechziger Jahren beeinträchtigte ein Herzleiden die Gesundheit meines Vaters sehr. Immer hat er mit vollem Einsatz gearbeitet, und das blieb wohl nicht ohne Folgen. Als er 1971 Invalidenrentner wurde, war er schwer krank.
Bis zu seinem Tode 1982 hat er zwar auch noch gemalt, aber es fehlte ihm zunehmend die Kraft dafür. Darunter hat er sehr gelitten.

Wenn es um das Lebenswerk meines Vaters geht, muss auf jeden Fall die Rolle meiner Mutter, Erna Lehmann, mit einbezogen werden.
In den fünfzig Jahren ihres gemeinsamen Ehelebens war sie diejenige, die ihm weitestgehend den Rücken freigehalten hat, damit er seine künstlerische Begabung schöpferisch ausleben konnte. Sie war ein liebevoller und bedacht handelnder Mensch, und oft hat sie es ausgezeichnet verstanden, das mitunter ungeduldige und arglose Wesen ihres Ehemannes in richtige Bahnen zu lenken.

Es freut mich sehr, dass die Stadt Falkensee auf der Suche nach ehemals ansässigen Künstlern auch den Kunstmaler und Grafiker Rudi Lehmann wieder entdeckt hat.

Christa Tews,
geborene Lehmann, im Jahre 2007